Orgel - AxelHenss

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Orgel


Die Orgel der Evangelischen Kirche zu Weidenhausen

Der Bau einer Orgel für unsere Kirche wurde bereits in Angriff genommen, als gerade einmal der Rohbau der Kirche im Frühsommer 1962 fertiggestellt war. Trotzdem dauerte es bis November 1965, bis das Instrument durch Klaus Becker, Kupfermühle b. Ahrensburg, fertiggestellt werden konnte. Der Einweihungsgottesdienst fand am 28.11.1965 (1. Advent) statt.

Unsere Orgel ist ohne Frage ein Kind der sogenannten Orgelreform, geprägt durch das norddeutsche Klangideal, das seinerzeit für fast alle Orgeln herhalten musste. Trotzdem hebt sie sich in vielerlei Hinsicht von anderen Orgeln ihrer Zeit ab. Die massive Bauweise aller Bauteile, die Verwendung traditioneller Materialien (mechanische Spieltraktur aus Holz) und die solide handwerkliche Ausführung machen sie zu einem besonderen Instrument. Außerdem wurde sie ausgesprochen ausgewogen intoniert, so dass der seinerzeit weit verbreitete "schrille" Orgelklang bei vollem Werk den Weidenhäuser Kirchenbesuchern glücklicherweise völlig fremd geblieben ist.

Die Orgel verfügt über 2 Manuale und ein Pedal mit insgesamt 18 Registern. Das Bild lässt einen klaren Aufbau erkennen:

Im unteren Teil, direkt über dem Spieltisch befinden sich (in der Brust der Orgel) die Pfeifen des sogenannten Brustwerks. In die beiden Türen sind bewegliche Füllungen eingearbeitet, durch deren Verstellung man die Klangabstrahlung und Lautstärke beeinflusst werden kann. Darüber sieht man fünf Pfeifenfelder, wovon die drei linken dem "Hauptwerk" (in ihm stehen die wichtigsten und größten Pfeifen der Orgel) und die zwei rechten dem Pedalwerk zugeordnet sind.

Die Orgel in Weidenhausen besitzt folgende Register:
Hauptwerk (I. Manual)

Prinzipal 8'  
Rohrflöte 8' '
Oktave 4'  
Gedackt 4'
Blockflöte 2'
Mixtur IV-VI 1 1/3'


Brustwerk (II. Manual)

Gedackt 8'
Koppelflöte 4'
Nasat 2 2/3'
Prinzipal 2'
Terz 1 3/5'
Sifflöte 1'
Regal 8'

Tremulant
Pedalwerk

Subbaß 16'
Gemshorn 8
Rohrgedackt 4'
Rauschpfeife III 2'
Trompete 8'
Im Prospekt (der Schauseite) der Orgel stehen Pfeifen der Register Prinzipal 8', Gemshorn 8' und Regal 8'. Die Orgel besitzt Schleifladen mit mechanischer Traktur.

An Stelle der Terz 1 3/5' stand bis etwa in die Mitte der 80er Jahre eine 3fache Zimbel, die im Brustwerk eine enorme Wirkung hatte. Sie wurde wohl ausgetauscht, weil sie - direkt oberhalb des Kopfes des Organisten stehend - diesem zu laut wirkte und das Register Terz zusammen mit dem Register Nasat Kornett-Registrierungen ermöglichen sollte. Jedoch ist die Terz im Verhältnis zu den anderen Stimmen zu weit mensuriert und die Zusammenstellung eines echten Kornetts scheitert an der starken, leicht scharfen Intonation des Prinzipal 2'. Es wäre wünschenswert, hier den ursprüngliche Zustand wieder herzustellen.
Zur Baugeschichte der Orgel der Evangelischen Kirche in Weidenhausen

I. Von den ersten Überlegungen bis zur Auftragserteilung

Nachdem die Weidenhäuser Kirche im Frühjahr 1962 im Rohbau fertiggestellt war, wurde von der Kirchengemeinde die Orgelfrage in Angriff genommen. Der musikalisch sehr interessierte und kundige Pfarrer Martin Lenz war bestrebt, einen möglichst zügigen Bau des Instruments zu erreichen, obwohl die finanzielle Lage der Gemeinde keineswegs als gut bezeichnet werden konnte. Trotzdem sollte so bald als möglich ein allen Anforderungen genügendes Orgelwerk entstehen.

Als Orgelsachverständiger wurde Herr Kantor Bochmann, Frankfurt, gewonnen. Die Verbindung zu Bochmann war durch den Bruder von Herrn Pfr. Lenz entstanden, der im Rahmen seiner kirchenmusikalischen Ausbildung Orgelunterricht bei ihm erhielt. Er besichtigte den Rohbau der Kirche am 17.05.1962. Pfr. Lenz hatte zuvor in einem Schreiben vom 03.05.1962 das Innere der Kirche wie folgt beschrieben:

[...] Der Kirchenraum hat einen quadratischen Grundriß von ca. 20 m Seitenlänge, wobei die Diagonale die Grundrichtung abgibt. Der Altar steht also in der Ecke. In der anderen Ecke befindet sich ein assymmetrisch [sic!] angeordnetes 80 cm hohes Podest als Raum für die Orgel und Platz für den Kirchenchor. [...] Die Decke des Raumes senkt sich von dem 8,40 m hohen First, der der Diagonalen folgt, zu den beiden seitlichen 3,35 m hohen Ecken. Die mittlere Höhe ist in einer kirchenamtlichen Berechnung mit 6 m angegeben. Sollte das richtig sein (ich vermag es nicht nachzuprüfen, weil ich für diese eigentümliche Bauform keine Formel zur Hand habe), so ergäbe das einen Rauminhalt von 2.400 m³. Die Orgel dachten wir uns zunächst symmetrisch gegenüber dem Altar [...], den Platz für den Chor links seitlich davon in dem schmäleren Teil des Podestes. Nun wird aber hinten oben unmittelbar unter dem First die Warmluft der Heizung in den Raum geführt. Darum ist es wohl ratsam, mit der Orgel zur Seite zu gehen. Umgekehrt ist es für den 40 bis 50 Personen starken Chor ganz angenehm, wenn er sich – genau in der Achse – stärker in der Tiefe staffeln kann. Die Orgel, deren Prospekt der Dachneigung folgen könnte, wäre so weit seitlich anzuordnen, wie es der für sie notwendige Höhenraum zuläßt. [...]

Für diesen Raum schlug Bochmann unter Berücksichtigung der „bekannten Formeln“ eine Orgel mit 18 Registern vor, sein Plan beinhaltete auch ein alternatives Register:


Hauptwerk  

Prinzipal 8‘  
Oktave 4‘  
Mixtur 4-6 fach  
Rohrflöte 8‘  
Quintade 4‘
Blockflöte 2‘

Oberwerk

Pommer 16‘ +)
Metallgedackt 8‘
Koppelflöte 4‘
Naßat 2 2/3‘ +)
Prinzipal 2‘
Sifflöte 1‘
Zymbel 3 fach
Krummhorn 8‘

Tremulant
Pedalwerk

Subbaß 16‘
Gemshorn 8‘
Rohrgedackt 4‘
Rauschpfeife 3 fach

Als Schreibfehler ist wohl die Nennung des Registers Pommer 16‘ im Oberwerk zu werten. Zwar ist dies ein zur damaligen Zeit oft gebautes Register, jedoch steht es bei Orgeln dieser Größe stets im Hauptwerk. Gemeint ist sicherlich Pommer 8‘, was durch die Anmerkung hinter dem Register bestätigt wird:

„+) Zwischen Pommer 8‘ u. Naßat 2 2/3‘ mag gewählt werden. Im Kostenanschlag muß dieser Austausch ausdrücklich erwähnt werden, da zwischen den beiden +)-Registern ein beachtlicher Preisunterschied besteht. Ich selbst würde mich aus Erfahrungsgründen für Naßat 2 2/3‘ entscheiden.“

Doch dieser Schreibfehler zieht sich durch alle eingeholten Angebote, denn Pfr. Lenz hat nicht das ganze Gutachten weitergegeben, sondern nur die eigentliche 18-registrige Disposition mit Naßat 2 2/3‘. Lenz bat, im Kostenangebot Naßat 2 2/3‘ zu berücksichtigen und informativ den Preis für Pommer 16‘ hinzuzufügen.

Bochmann hatte in seinem Gutachten vier Firmen vorgeschlagen:

Klaus Becker, Kupfermühle bei Bad Oldesloe

Wolfgang Böttner, Frankenberg/Eder

Gebrüder Oberlinger, Windesheim über Bingen/Rhein

Walcker, Ludwigsburg (Zweigniederlassung Bad Vilbel)

Handschriftlich vermerkte Pfr. Lenz noch die Firmen Werner Bosch, Sandershausen und Förster & Nicolaus, Lich, sowie als Bedingung für die Auftragserteilung die Stellung eines „Überbrückungsinstruments“.

Bochmanns Gutachten stammte vom 14.06.1962, und bereits am 15.06.1962 wurden die sechs genannten Firmen durch Pfr. Lenz angeschrieben. Dies verdeutlicht, mit welcher Dringlichkeit und Vehemenz das Orgelbauvorhaben verfolgt wurde.

Die Angebote gingen wie folgt ein:

18.06.1962  






Gebr. Oberlinger
41.500,-- DM ohne Gehäuse
mit Pommer 16‘ statt Naßat: zuzügl. 480,-- DM
Gehäuse 4.800,-- DM
Gesamtpreis: 46.300,-- DM bzw. 46.780,-- DM
Lieferzeit: 20 – 24 Monate
Positiv verfügbar
20.06.1962 Werner Bosch
48.575,-- DM
mit Pommer 16‘ statt Naßat: zuzügl. 450,-- DM
mit Pommer 16‘ zusätzlich: zuzügl. 2.600,-- DM
Lieferzeit: 18 Monate
kein Leihinstrument verfügbar

22.06.1962  Klaus Becker
48.300,-- DM
keine Angabe zu Pommer 16‘
Lieferzeit: 28 – 32 Monate
Leihorgel verfügbar

12.07.1962  Eberhard F. Walcker
50.400,-- DM ohne Gehäuse
mit Pommer 16‘ zusätzlich: zuzügl. 2.980,-- DM
Lieferzeit: 24 Monate
Positiv verfügbar

28.06.1962
Förster & Nicolaus
beschreibt Lieferbedingungen wie folgt: Leihinstrument nicht vor 1964, große Orgel nicht vor Ende 1966, ein detailliertes Angebot wurde nicht eingeholt.

08.07.1962  
Wolfgang Böttner
Kann Lieferbedingungen nicht einhalten: keine Leihorgel, Bau einer vorläufigen Orgel bis Ostern 1963, große Orgel bis Herbst 1964. Ein angebotener detaillierter Voranschlag wurde von der Gemeinde nicht eingeholt.
Der von Herrn Pfr. Lenz akribisch auf 3 DIN A4-Seiten gefertigte Angebotsvergleich enthält zwei handschriftliche Vermerke über Beratungen der Angebote. Die erste bezieht sich auf ein Gespräch mit dem Kantor Reinhard Menger, er „empfiehlt aufgrund seiner Erfahrung mit seiner Hausorgel und aufgrund des strengen Stils (Walcha) Becker; Oberlinger sei Spätbarock.“

Nach einer persönlichen Rücksprache mit Kantor Bochmann am 05.09.1962 in Frankfurt vermerkt Lenz: „Er empfiehlt wegen Festpreis und guter Arbeit Becker, ohne Oberlinger zu disqualifizieren.“

Am 21.09.1962 um 10.30 Uhr erteilt Pfr. Lenz telefonisch den Auftrag an Klaus Becker.

Am 28.10.1962 sollte nun die Kirche eingeweiht werden, wozu Klaus Becker ein Orgelpositiv mit den Registern Gedackt 8‘, Prinzipal 4‘, Waldflöte 2‘ lieferte, ein Werk, das lt. der Aussage des Erbauers einen Wert von rund 6.000 DM hat. Von diesen Preisen kann man heute nur noch träumen!

Zwischenzeitlich war die Gemeinde in eine finanzielle Notlage geraten, denn der Kirchenbau hatte sich gegenüber den Planungen um 35.000 DM verteuert. Deshalb bat Pfr. Lenz beim Orgelbauer um eine Fristverlängerung für die erste Rate. Die Kirchenleitung der EKHN sichert mit Schreiben vom 16.08.1963 einen Zuschuss von 5.000 DM zu, sie stellte später weitere 1.000 DM bereit.


II. Die Prospektgestaltung

In der nächsten Zeit gibt es ausführliche Schriftwechsel bezüglich der Prospektgestaltung. Hierfür gibt es zwei unsignierte und undatierte Bleistiftskizzen, die in der Akte direkt vor dem ersten Gutachten von Kantor Bochmann abgelegt sind. Daher sind sie wohl auch ihm zuzuschreiben. Auf Wunsch von Pfr. Lenz wurde hier auch der Architekt der Kirche, Herr Dipl.-Ing. Berthold Himmelmann aus Marburg, zu Rate gezogen. Er fertigte seinerseits Skizzen an, die er dem Pfarrer und dem Orgelbauer vorlegte.

Es würde zu weit führen, die ausführliche Diskussion wiederzugeben, zumal sie sehr emotional geführt wurde. Orgelbauer und Architekt schoben sich gegenseitig die Verantwortung für die Verzögerung zu, die dadurch entstand, dass die Skizzen beim Architekt liegen geblieben seien (so der Orgelbauer) oder der Orgelbauer keine endgültige Werkzeichnung geliefert habe (so der Architekt).

Die Entwürfe von Klaus Becker sind leider nicht in der Orgelakte vorhanden, da er sie direkt an den Architekten übersandte. Hier liegt nur eine einzige Zeichnung vor, die auf den Februar 1964 datiert werden kann. Sicherlich entspricht sie ziemlich genau einem ersten Entwurf des Orgelbauers, denn die Skizzen des Architekten weichen doch sehr von dieser Endfassung ab. Man kann somit sagen, dass sich Klaus Becker durchgesetzt hat, nicht zuletzt deshalb, weil er das Werkprinzip und technische Belange für ein gutes Instrument in die Überlegungen einbezog.

Wie unterschiedlich die Vorstellungen der Gehäusegestaltungen sein können, zeigen die einzelnen Entwürfe, die hier vorgestellt werden sollen.


Abb. 1: Entwurf, wahrscheinlich von Kantor Bochmann vom 14.06.1962

Abb. 2: Alternativer Entwurf, wahrscheinlich von Kantor Bochmann vom 14.06.1962

Abb. 3a-c: Erste Skizze von Architekt Himmelmann vom 17.02.1964, die als Antwort auf den Entwurf Beckers gedeutet werden kann. Himmelmann wünschte am liebsten einen Freipfeifenprospekt





Abb. 4a-b: Entwurf von Klaus Becker, undatiert, wahrscheinlich aus dem Februar 1964



Abb. 5: Skizze von Architekt Himmelmann vom 10.04.1965, mit der er die nahezu abgeschlossene Diskussion neu entfachen wollte, weil der Entwurf Beckers mit einem eingezogenen Unterbau „unter einer gewissen Stelzung“ leide. Himmelmann strebte eine Auflockerung der Formen an, in dem Entwurf Beckers bilde sich „in der Anlage kein eigener Schwerpunkt“. Becker hatte es in der bisherigen Diskussion übrigens strikt abgelehnt, eine Orgel mit einem Freipfeifenprospekt zu bauen, was Himmelmann am liebsten gewesen wäre. Himmelmann versucht mit dieser Skizze offensichtlich einen Kompromiss.

Abb. 6: Alternative Skizze von Architekt Himmelmann

III. Bau und Einweihung

Der Orgelbau verlief – abgesehen von den bereits geschilderten Diskussionen um die Gehäusegestaltung – nahezu problemlos. Aufgrund der finanziellen Situation der Gemeinde zeigte sich Klaus Becker sehr kulant, was die Bezahlung der Raten anging. Er gewährte der Gemeinde sogar einen Zahlungsaufschub, bat allerdings darum, dass die Gemeinde dieses Entgegenkommen erwähnen möge, wenn andere Interessenten nach seiner Arbeit und seinen menschlichen Eigenschaften in Weidenhausen anfragen würden.

Lediglich mit dem Termin zur Einweihung gab es ein Problem, da Pfr. Lenz offensichtlich einen Einweihungstermin festsetzte, ohne hierüber noch einmal definitiv mit dem Orgelbauer gesprochen zu haben. Es war bereits alles für den 24. Oktober 1965 organisiert, nur weil Becker in einem Brief im Mai geschrieben hatte, er werde die Orgel „wohl kaum vor Oktober“ liefern können. Herr Probst Karl Zöllner war für die Festpredigt gewonnen worden, als Klaus Becker mitteilte, diesen Termin bedingt durch schwere Krankheitsfälle unter seinen Mitarbeitern keinesfalls einhalten zu können.

Man einigte sich schließlich auf den 28. November 1965, den 1. Advent. Leider gab es ein weiteres Problem: Obwohl die Orgel an und für sich zu diesem zweiten Termin rechtzeitig fertiggestellt und aufgebaut werden konnte, – sie wurde am Freitag, dem 05.11.1965 geliefert – fehlte noch das Zungenregister Trompete 8‘, das die in Göttingen ansässige bekannte Firma Giesecke liefern sollte. Becker zu Folge war sie bereits 1962 bestellt worden. Nach einem intensiven und eindringlichen Schriftwechsel zwischen Pfr. Lenz und der Firma gelang es, den 24.11.1965 als Abholtermin für das Zungenregister zu bestimmen. Klaus Becker wollte das Zungenregister abholen und direkt nach Weidenhausen zu bringen, damit es noch rechtzeitig zum Einweihungsgottesdienst eingebaut und intoniert werden konnte. Die Rechnung für die Orgel hatte Klaus Becker im Gepäck, sie belief sich auf insgesamt 48.800 DM.

Als Festprediger konnte der stellvertretende Kirchenpräsident Oberkirchenrat Herbert gewonnen werden

Zur Einweihung organisierte Pfr. Lenz am Abend des 28.11.1965 ein Orgelkonzert, das sein Bruder Christfried Lenz spielte. Zu Gehör kamen ausschließlich Orgelwerke von Johann Sebastian Bach: Präludium und Fuge in C-dur, Präludium und Fuge in A-dur, die Triosonate in Es-dur, insgesamt 10 Advents- und Weihnachtschoräle aus dem Orgelbüchlein sowie zum Ende „Tokkata und Fuge dorisch“ (hier wird wohl d-moll gemeint sein). Der Kirchenchor sang unter der Leitung von Karl Michel insgesamt 7 Stücke. Immer wieder schön lesen sich die Gedanken der damaligen Akteure, so schreibet Christfried Lenz seinem Bruder am 06.12.1965: „Was das Honorar betrifft, so habe ich folgendes gedacht: es soll 100 DM betragen, aber da mir bei einer solchen Summe für eine 1-stündige Leistung doch noch ein wenig schwindelig wird, sollst Du sie auf Eure diesjährige Sammlung „Brot für die Welt“ schlagen und mir bitte die Quittung übersenden.“ Dazu kam es nicht, Pfr. Lenz bestand darauf, die 100 DM seinem Bruder auszuzahlen.

Das Konzert muss ein großer Erfolg gewesen sein. Hiervon zeugt nicht zuletzt ein Schreiben des Kirchenchores an den Organisten, das hier im Original abgelichtet werden soll:

Die Abnahme der Orgel erfolgte am 18 Januar 1966 durch Herrn Pfr. i. R. Theodor Wißmüller, Nieder-Beerbach, den damaligen Orgelbau- u. Glockensachverständigen der EKHN. Bis auf „harmlose Kinderkrankheiten“ hatte er nichts zu beanstanden, „die Intonation der einzelnen Register ist vortrefflich“.

In diesem Zusammenhang muss eine Anekdote hinsichtlich dieses Einweihungskonzertes berichtet werden: Von dem Konzert wurde eine Tonbandaufnahme angefertigt, die sich im Eigentum von Herrn Pfr. Lenz befand. Klaus Becker hatte Interesse an der Aufnahme geäußert und somit das Band von Pfr. Lenz erhalten. Das Band blieb sehr lange bei Becker, denn er führte es auch anderen Interessenten vor, leider mit dem Ergebnis, dass bei einer dieser Vorführungen die Hälfte des Bandes gelöscht wurde.

Fast schon erheiternd ist der Wortlaut seiner Entschuldigung: „[...] ich habe daraus gelernt, daß ich wohl nie wieder leihweise ein Tonband anfassen werde und ich werde mir auch kein Tonbandgerät kaufen, weil es mir immer noch zu kompliziert ist, denn solche Pannen können doch immer wieder vorkommen. [...]“

Becker sandte mit gleicher Post 100,-- DM als Entschädigung, den Betrag, den Christfried Lenz als Honorar für sein Konzert erhalten hatte.


IV. Rückblick und Ausblick

Seit ihrer Einweihung versieht die Becker-Orgel nun ihren Dienst. Von der Notwendigkeit größerer Reparaturen ist nichts bekannt, was bei der massiven Bauweise nicht weiter verwundert. Erst in den letzten Jahren tauchte ein Defekt auf, der durch eine Reparatur provisorisch abgestellt werden konnte. Endgültige Abhilfe wird hier wohl nur eine notwendige komplette Ausreinigung schaffen, bei der dann der Defekt in der Registertraktur behoben werden kann.

In den achtziger Jahren wurde im Brustwerk die dreifache Zimbel gegen eine Terz 1 3/5‘ ausgetauscht. Es ist bislang noch nicht festgestellt, auf wessen Veranlassung dieser Tausch ausgeführt wurde, jedoch war er offensichtlich nicht zum Vorteil des Instruments. Die Terz ist nach Meinung der Orgelbauer, die das Instrument in den vergangenen Jahren gestimmt haben, viel zu weit mensuriert, zudem kann durch den eher scharf intonierten Prinzipal 2‘ kein echter Cornet-Klang erzeugt werden. Dem Brustwerk fehlt nun eine echte Klangkrone, denn der Prinzipal 2‘ kann diese Aufgabe alleine nicht erfüllen. Der Klang der hochliegenden Zimbel wurde dieser Aufgabe in unvergleichlicher Weise gerecht. Sie war – ebenso wie die Mixtur des Hauptwerks – keineswegs schreiend intoniert, sondern färbte den Orgelklang glänzend ein. Glücklicherweise hatte der Verfasser die Orgel bereits vor diesem Umbau kennen gelernt.

Das Instrument hat durch diese Maßnahme jedoch nur einen kleinen Teil seines ursprünglichen Charmes verloren, viel mehr leidet es derzeit unter dem Staub der nunmehr 35 Jahre seines Dienstes. Der Klang der einzelnen Register lässt dies deutlich hören. Die Orgel wird noch vielen Gottesdienst- und Konzertbesuchern hervorragende Dienste erweisen, wenn jetzt geeignete Schritte unternommen werden, um sie in ihrer vollen Schönheit zu erhalten.

Leider befindet sich die Kirchengemeinde derzeit aufgrund der Vollendung des Gemeindehausbaus wiederum in einer finanziellen Lage, die eine sofortige Auftragserteilung beim ersten Auftreten des erwähnten Defekts nicht zuließ. Hoffen wir, dass sich keine Folgeerscheinungen zeigen und dass der Aufschub der notwendigen Reinigung und Reparatur sich nicht als Rückschlag erweist. Hoffen wir ebenso, dass sich genügend Spender finden, die eine baldmöglichste Reparatur des Instruments ermöglichen.

Gießen- Wieseck, März 2001

Jörg R. Becker, Organist in Weidenhausen und Römershausen von 1990-2001

(Nachtrag: Die von Herrn Becker angesprochenen Reparatur- und Instandhaltungsarbeiten konnten im Sommer des Jahres 2004 - nicht zuletzt Dank zahlreicher Spenden der Gemeindeglieder - durchgeführt werden.)


 
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